Ich bin die Salzmagd des Freizeit- und Kreativvereins “Salzstadtclan e.V.” Meine ganze (fiktive) Geschichte nachlesen im Buch “Eine Salzmagd erzählt von der Salzstadt Halle an der Saale” vom MSW-Welten Verlag. Salzmagd zu sein, ist zu jener Zeit auch nicht einfach, ging ich doch in einem Gasthof „Zu den drei Schwänen“ meiner Mutter zur Hand. Diese Gaststätte lag beim Radewellschen Tor in der Rannischen Straße 15. Damals gab es noch keine Hausnummern, wohl aber diese Salzstraße. Kutschladungen ratterten durch den Schlamm von der Salzkärrner Straße bis nach Prag und kehrten dann bei uns ein. Die Kaufleute waren zwar rau und nannten mich irgendwann mal Salzmagd, weil ich immer einen Beutel Salz dabei hatte.
Natürlich habe ich auch ein heutiges Leben und heiße schlicht Sophie. Anstelle des damaligen Gasthofes, einer Ausspanne, steht heute ein großes graues Haus, wo es links zu Brunos Warte geht. Was ich aber wirklich erzählen will, ist das, was ich am Fenster meines Gymnasiums Lionel Feininger sehe. Eine Menschenmenge, die sich um die Bronzeplatte des Königsbrunnen, der 1704 gegraben wurde, schart. Zu meiner Salzmagdzeit standen hier überall Kothen herum, Qualm zog über den Hallmarkt, die Halloren, die heute in Festkleidung da unten stehen, haben damals hart gearbeitet. In den Kothen herrschten über 80 Grad Celsius beim Sieden. Es gab auch keine Brüderschaft, den Begriff Halloren gab es ebenfalls nicht, geschweige denn ein Festkleid. Es waren damals nur die hart arbeitenden Salzwirker.
Die Bronzeplatte dort unten auf dem Schulhof, liebevoll gestaltet von Maja Graber, einer Schweizer Künstlerin in Halle ansässig, zeigt die Stelle des kaum bekannten Brunnens, der Anfang des 17. Jahrhunderts gegraben wurde. Er wurde nur wenige Jahre alt. Immerhin ist die Sage von einer Nixe in die Platte gegossen, die mit ihrem Haar die Sole holt. Nun zu preußischen Zeiten sind die Nixensagen nicht mehr so bekannt, aber der Hallore Just weiß von den Nixen zu meiner Zeit zu berichten, dass sie den Salzwirkern das Schwimmen beibrachten. Schwimmen konnten sie halt auch noch zu preußischen Zeiten. Ich winke als normale Schülerin der Gesellschaft zu, denn heutzutage haben wir um diese Zeit Unterricht. Apropos Gesellschaft, die kam eigentlich vom ersten Einweihungsbrunnen, dem Hakebornbrunnen, der schon lange vor meiner Salzmagdzeit gegraben wurde, wohl von denen zu Hacke, was den Namen erklärt. Er befindet sich in der Nähe des Klaustores an der Hackebornstraße und zeigt die Sage vom Basilisken, einem Geschöpf, das aus einem Hahn und einer Kröte entstand, mit einem Blick, der einen zu Stein erstarren ließ. Dieser Basilisk verstopfte einen der Brunnen. Zu meiner Zeit sprach man vom Deutschen Born, aber die Basilisken waren faktisch überall. Zumindest konnte man ihn mittels eines Spiegels töten. Er schaute hinein und puff ward er zu Stein. Einfach, oder? Übrigens, 1609 wurde in Halle ein solcher Basilisk mit Drachenkopf gezeigt, der war aber ein nachgemachtes Fake, erschreckte die Leute und die Sage wurde bekannter. Danach ging die Gesellschaft zum Gutjahrbrunnen in der Gutjahrstraße. Über den gibt es einige Anekdoten. Heute ist er der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Diese Geschichten werde ich später erzählen, habe ich sie mir vom Halloren Just abgehört.
Maja Graber meißelte die Sage vom Quell ein, wo ein armer Hirte einen Mistelzweig einpflanzte, nach dem Rat der Heiligen Männer vom Ochsenberg und eine Solequelle heraussprudelte. Das war dann wohl noch in heidnischer Zeit. Der dritte Brunnen, der Meteritzbrunnen treibt mir die Schamröte ins Gesicht, zeigt er doch ein Mädchen, das mit der einen Hand Freier lockt und den Geldbeutel mit der anderen Hand einem Mönch weitergibt. Mit diesem Geld wird der Brunnen gebaut. Zu meiner Zeit galt unter anderem die Heirat einer Prostituierten als gutes Werk Gottes. Wir hatten damals eine andere Sicht auf die Dinge. Die Gesellschaft konnte sich diese Bronzeplatte nicht ansehen, ein armes Würstchen hatte sie verstellt. Na, eigentlich war es eine ganze Würstchenbude. Geschichte trifft Hot Dog, oder so. Schon ging es zum Deutschbrunnen am Hallmarkt vor dem Juwelier gelegen. Der Deutschbrunnen war das Juwel der Solebrunnen und wer daran Anteile hatte, konnte sich Juwelen leisten. Und von wem wurde dieses Brunnenjuwel entdeckt? Von einem Schwein, das sich im sumpfigen Gelände wälzte. Eine Salzkruste funkelte auf der Schwarte im Licht. Die arme Sau trug zum Reichtum der Stadt bei, so jedenfalls eine Sage. Zu meiner Zeit rannten die Schweine frei durch die Straßen, sodass sich der Rat irgendwann genötigt sah, diese doch sehr freie Tierhaltung zu verbieten und außerhalb der Stadt anzulegen. Ihnen stank es wohl. Viel könnte ich noch erzählen, zu meiner Zeit tat man das ausgiebig, hatten wir oft lange Winterabende. Heutzutage muss alles sehr kurz sein, da WhatsApp von vielen kurzen Nachrichten lebt und keiner so gern lange Artikel mag. Das hat Vorteile, wie ich meine und Nachteile, wie der Salzkaufmann Erasmus meint. Wer das nun wieder ist? Ach, das ist eine ganz andere Geschichte, die in meinem Fotogeschichtenbuch, das ich anfangs erwähnte, steht. Danke, Maja Graber, dem Stifter Michael Wichmann und seiner Tochter Sophia, die die Recherche durchführte. Sie haben ein Stück fast vergessener Geschichte der Salzstadt wiedergebracht.