Kommunikation ist so alt wie die Menschheit und hat sie zu dem gemacht, was sie heute ist. Zur Kommunikation gehören zuhören, ein solides Wissen und sich gegenseitig respektieren trotz verschiedener Ansichten. In der Stadt geht so etwas heutzutage häufig verloren. Man kennt seine unmittelbaren Nachbarn nicht mehr. Anders ist das schon mit Dörfern, wo man sich doch etwas näher kennt. So auch in dem beschaulichen ehemaligen Fischerdorf an der Saale mit dem schönen Namen Lettin. In diesem schon im 9. Jahrhundert als Luideburg genannten Dörfchen rumort es. Wegen einer Schule. Besser gesagt, wegen einer ehemaligen Schule. Plötzlich ist sie eingerüstet und es wird emsig gewerkelt. Kein Bauschild wies aus, was eigentlich hier entstehen sollte. Da kommt man als Lettiner schon ins Grübeln, was wohl hinter dem Baugeschehen alles steckt. Man wartete auf Aussagen vom Bürgermeister, der Stadt oder anderen Verantwortlichen und beäugte den Werdegang, der sich so geheimnisvoll tat, misstrauisch. Schließlich will man wissen, was in der Nachbarschaft vor sich geht. Wird es etwas für die Lettiner, kommen Jugendliche oder alte Menschen da hinein? Egal wie, es beschäftigte die Lettiner. Nichts Genaues wusste niemand. Wie auch! Die Stadt, die für ihre Bürger da sein sollte, machte das, was sie oftmals am besten kann in dieser Situation; Augen zu und durch. Sie schwieg sich aus, machte alles rechtssicher mit dem Bauträger, der dann auch sagte, dass er es nicht auf dem Schirm hatte, jemanden zu informieren. Nun ja, klingt merkwürdig, wenn man erfährt, dass hier Kinder aus sozial problematischen Familien ein neues Heim finden sollen ab dem 01.08.2023.
Lettin Bürgerinitiative hatte die Nase von dieser Situation voll und die Vorsitzende Frau Budnik trommelte die Lettiner zu einer Einwohnerversammlung zusammen. Dort sah sich die Initiative plötzlich von einigen Wutbürgern umgeben, die sich Luft machten. Es gab im Saal des Sportlerheims, wo man sich traf, Zornesausbrüche besonders von einer Dame, auch mal Wortgefechte (von jener Dame), die der ehemalige Baudezernent und Mitglied der Bürgeriniative Hr. Heinrich versuchte, in geordnete Diskussionsbahnen zu lenken. Schließlich sollten die versammelten Dörfler zu der Baustelle hochpilgern, um sich ein Bild vor Ort machen. Dort wollten der Bauträger Tembar Schuh und die Volkssolidarität Saale-Kyffhäuser das Projekt erklären. Der Professor ist sehr rührig, wenn es um Bauprojekte geht. Man kann dies auf seiner Internetseite sehen. Von dem Schulobjekt in Lettin gibt es dort keinerlei Informationen, warum auch immer. Er betont in den Diskussionen auch mehrfach, dass man sich immerhin in Lettin auf einem Privatgelände befindet.
Zur Baustelle zu gehen, lehnten einige Leute am Versammlungsort ab. Sie wollten keine Baustelle sehen, sondern Antworten, hier und jetzt. Die schweigenden Stadtverantwortlichen waren ja nicht dabei. Sie wollten das Klima in Lettin lieber nicht haben und klebten an ihren Schreibtischen fest. Diesen Umstand bedauerte auch Herr Heinrich. Aber Lettin hat scheinbar auf der Karte der Stadtverwaltung keinen Platz oder es gibt wichtigeres. In den Augen der Stadt ist Lettin kein Dorf mehr, sondern so ein Zwischending zwischen Stadt und Dorf, etwa so wie beim Gendern.
Letztendlich gingen interessierte Lettiner zur Baustelle. Dort versuchten Bewohner und Verantwortliche ins Gespräch zu kommen. Das war schwierig genug, weil auf dem Weg zur Schule aus 30 Kindern, die im Sportlerheim postuliert wurden, schon mal 12 Kinder „verloren“ gingen. Im Objekt sollen nur 18 Kinder über das Jugendamt angesiedelt und eine 24/7 Betreuung gesichert werden. Zwar wurde die Anzahl der Kinder auf dem Weg weniger, dafür wurden sie aber auch älter. Sprach man zuerst im Sportlerheim von 6-8-jährigen, waren ein Teil von ihnen auf der Baustelle dann schon 15-17,9, wie ein Lettiner sarkastisch anmerkte. Die Bedenken der Lettiner waren nicht von der Hand zu weisen; was geschieht, wenn…? Es gab viele „wenns“, um die sich anscheinend keiner vorher einen Kopf machte. Da half auch nicht das gutgemeinte Angebot von Herrn Schuh einen Rundgang im neu gestalteten Gebäude zu machen. Es löste nicht das eigentliche Problem und war für einige Bewohner nur Schönfärberei. Das Problem war wieder einmal die Stadt, die es versäumte, ordentlich zu mit dem Bürger kommunizieren, für den sie da sein sollte, aber das wurde schon mehrmals gesagt. Stadt und Bauträger hielten sich bis zu diesem bedeckt, ob nun mit Absicht, was einen nachdenklich machen sollte oder unabsichtlich, was einen verwundert bei solch einem sensiblen Thema in einem Dorf, das zu einer Stadt gehört, die mit Jugendkriminalität und Gewalt zu kämpfen hat. Umso seltsamer klingt es, wenn der Bauträger nett meint, er hatte es nicht auf dem Schirm zu informieren. Jeder Lehrer weiß, dass er, bevor er Klassenlehrer wird, erstmal eine Elternversammlung einberufen muss, um zu informieren. Hier geht es aber nicht um eine Klasse an einer Schule, sondern um ein Thema, das viele ältere Generationen angesichts der Zustände in der Stadt sensibilisiert. Dass man da mit offenen Armen, wie ein Jugendlicher richtig meinte, auf die Kinder zu gehen soll, ist ein guter Ansatz, aber die Bedenken bleiben. Jemand formulierte es später so: „Ich habe die Befürchtung, dass mein Haus irgendwo zum offenen Haus wird.“ Unfair ist es hingegen, diesem Jungen, der eigentlich sachlich sprach, vorzuwerfen (eben jene aufgebrachte Dame), dass er jung sei und noch nichts geschaffen hatte. Das war nur laut, aber hatte mit Kommunikation nichts zu tun.
Die Leiterin des entstehenden Projekts und eine Betreuerin gaben sich viel Mühe Rede und Antwort zu stehen, obwohl einige der Versammelten sehr gereizt waren. Da hatte Hr. Heinrich viel zu tun. Er versuchte sich weiterhin in der Moderation, was ihm eigentlich ganz gut gelang, auch wenn dieser oder jener beleidigt war, dass er nicht sofort an die Reihe kam. Das war dann ein wenig wie in der Schule. Vieles aber wurde im Laufe der Diskussion deutlicher und es ging dann auch ruhiger zu. Die Kinder werden von 4 bis 5 Betreuer geleitet, sie gehen normal zur Schule und sie sind keine Kriminellen und einer will sogar Polizist werden. Sie müssen um 20:00 Uhr zu „Hause“ sein und man wünscht sich, dass die Bürger mit ihren Kindern auch mal ins Haus kommen, um die Jugendlichen oder sich selbst zu integrieren.
Trotzdem blieben natürlich die Befürchtungen und es wird dem Projekt einiges an Mühe kosten, sich zu beweisen nach den Schweigemonaten. Die Lettiner werden genau hinsehen. Wenn das dann mal nicht Stoff für neue Gerüchte ist oder der Ausspruch: „Ich hab es euch doch gesagt“ zum Schlagwort wird. Anwesend war auch der Vorsitzende des Salzstadtclans e.V. der in Lettin sein Quartier hat. Der denkt schon über ein Theaterprojekt mit den Jugendlichen nach, damit solch ein Theater erst gar nicht wieder stattfindet. Die Bürgerinitiative bekam schon mal seine Visitenkarte.